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SPD-Vogtlandfest | Franz Münteferings vielbeklatschte Kapitalismus-Kritik

Veröffentlicht am 09.10.2008 in Veranstaltungen

Von Harald Jäckel

Posseck – „Geld und Wirtschaft sind für die Menschen da und nicht umgekehrt.“ Als Franz Müntefering am Samstag beim traditionellen Vogtlandfest der SPD in Posseck zu knallharter Kapitalismus-Kritik ansetzt, hallen laute Bravo-Rufe durch das mit über 1000 Zuhörern rappelvolle Zelt. Der frischgebackene Buchautor Müntefering – Titel: „Macht Politik“ – und künftige Chef der Sozialdemokraten nimmt die Finanzkrise zum Anlass, mit markigen Worten gegen den „Kapitalismus ohne Rücksicht auf die Menschen“ zu wettern. „Münte“ – so rufen ihm die Menschen auch in Posseck zu – fordert strenge internationale Regeln für die vollkommen unübersichtlich gewordenen globalen Geldflüsse und kündigt an: „Frank-Walter Steinmeier und ich werden alles dafür tun, um solche Regeln durchzusetzen.“ Die sollen dafür sorgen, dass sich das Kapital künftig stärker der Politik und der sozialen Marktwirtschaft im Dienste der Menschen unterordnet. Diese Menschen rufen im Zelt wieder „Bravo“.

Eigentlich sind sie ja gekommen, um die Volljährigkeit der Einheit 18 Jahre nach der Wiedervereinigung auf historischem Grund zu feiern. Denn bereits lange vor der Wiedervereinigung fand die Einheit in Freiheit vor Ort an dieser Nahtstelle zwischen Sachsen und Bayern statt: Die Bevölkerung der Nachbargemeinden Posseck (Ost) und Regnitzlosau (West) hatte bereits am 21. Dezember 1989 einen freien Grenzübergang durchgesetzt. Kurz danach wurden mit tatkräftiger Hilfe der Regnitzlosauer Sozialdemokraten SPD-Ortsvereine in Posseck und im nahen Eichigt gegründet. Und was mit eher schlichten Einheits-Feiern im kleinen Kreis begann, ist in Posseck längst zum zentralen Wiedervereinigungsfest sächsischer und bayerischer Sozialdemokraten geworden. Bester Beweis für diese Zentralität ist die Tatsache, dass Franz Müntefering bereits zum dritten Mal in Posseck spricht. Und am Ende seiner knapp einstündigen freien Rede ohne jegliches Manuskript recht ungewohnt humorig mit seinem künftigen Amt kokettiert. Der 68-Jährige: „Ich komme auch gerne ein viertes Mal zu Euch. Ihr könnt mich ja 2018 wieder einladen. Da bin ich dann zehn Jahre Parteivorsitzender.“

Dass eben dieser künftige SPD-Chef kaum über die Wiedervereinigung spricht, ist wohl auch ein gutes Zeichen für die Normalität der Einheit, für das Zusammenwachsen von Ost und West. Und es sind die Vogtländer auf beiden Seiten der ehemaligen Grenze, die „dem Franz“ – wie er von lokalen und regionalen SPD-Mandatsträgern angesprochen wird – gleich drei Mal stehende Ovationen gewähren: Beim Einmarsch durch das enge Spalier der Festgäste, als er ans Rednerpult tritt und nach seiner Rede.

In dieser ruft Müntefering alle Bürger auf, Politik aktiv mitzugestalten. Am besten in der SPD. Denn die „wird mit aller Kraft für den Erhalt des Sozialstaates kämpfen“. Einen Sozialstaat, der laut Müntefering einer „sozialdemokratischen Urgesinnung entspricht. Es ist eben unser erklärtes Ziel, die Welt im großen und kleinen besser zu machen“.

Bessere Zeiten sieht der künftige Parteichef auch trotz des mageren Landtagswahlergebnisses für seine bayerischen Genossen. Müntefering sagt vom Rednerpult herab in bundespolitischer Hoffnung auf das Scheitern einer möglichen Koalition von Union und FDP: „Die Wahlklatsche für die CSU macht es auch wahrscheinlicher, dass schwarz-gelber Marktradikalismus keine Chancen mehr hat“. Und am Biertisch sagt Müntefering später im Gespräch mit unserer Zeitung und zahlreichen Medienvertretern: „Die CSU ist zur Regionalpartei geschrumpft. Dies ist auch ein Grund zur Zuversicht für die bayerische Sozialdemokratie.“

Ein triftiger Grund zum Kämpfen ist für Müntefering „die größte Ungerechtigkeit in diesem Land, dass 80 000 junge Menschen pro Jahr die Schule ohne Abschluss verlassen“. Der Redner bricht deshalb eine Lanze für bessere und gerechtere Bildungspolitik und mahnt, „in die Köpfe und Herzen unserer Kinder zu investieren“. Denn ein hohes soziales Niveau ist laut Redner nur dann dauerhaft möglich, wenn Deutschland auch wirtschaftlich ein Hochleistungsland bleibt. Vor Münteferings Rede beschwören Staatssekretär Rolf Schwanitz aus Plauen, der Hofer Landrat Bernd Hering und Bundestagsabgeordnete Petra Ernstberger den Erfolg der Einheit vor Ort. Hering: „Hier bei uns wird vorgelebt, was zur deutsch-deutschen Normalität wurde.“

Homepage Ulrich Scharfenberg

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